Zum Projekt
Seit das OSK Ende 2010 durch den vom WDR mitproduzierten Film "Kinshasa Symphony" bekannt wurde, unterrichten wir Musiker des WDR Sinfonieorchesters in Kinshasa. Inzwischen haben wir vier Workshops veranstaltet. In diesem Sommer wird es zum ersten Mal ein gemeinsames Konzert geben. Anders als sonst fliegen wir dazu nicht mit drei oder vier Kollegen in den Kongo, sondern mit einer Gruppe von 17 Personen. Das Vorhaben wird in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt realisiert, das schon die zurückliegenden Reisen finanziert. Vor Ort unterstützen uns die deutsche Botschaft und das Institut Français.
Der Auftritt findet im Theatre de Verdure statt, einem Freilufttheater in einem waldigen Hügelgelände am Stadtrand, das bis vor einigen Jahren zu einem Militärareal gehörte und von der Mobutu-Regierung für repräsentative Gelegenheiten benutzt wurde. Davor werden wir eine Woche proben und Unterricht erteilen.
Dieses Projekt: der gemeinsame Auftritt eines Orchesters aus einem Entwicklungsland mit einem renommierten westlichen Sinfonieorchester in einer der härtesten Drittweltmetropolen ist einzigartig.
Christian Stach
Kontrabassist im WDR Sinfonieorchester
Projektleitung und Organisation
Über das Kongo-Projekt
In den letzten Jahren hat es weltweit eine Reihe von Initiativen zum Aufbau und zur Unterstützung von Sinfonieorchestern in Ländern gegeben, die nicht traditionell mit europäischer klassischer Musik verbunden sind. Anscheinend wächst global die Beliebtheit der Art von Musik, der wir unser berufliches und Teile des privaten Lebens widmen. Auch die positive soziale Wirkung hat sich herumgesprochen. Berühmtestes Beispiel sind die Jugendorchester des Sistema in Venezuela, aber auch im Irak oder in Vietnam wird Orchesternachwuchs gefördert. Das sind nur drei markante Beispiele, die Reihe ließe sich fortsetzen. Afrika tauchte bisher nicht auf der sinfonischen Landkarte auf, jedenfalls nicht der riesige Teil zwischen Kap und Kairo.
Erstaunt haben wir deshalb im September 2010 den Kinofilm “Kinshasa Symphony” gesehen, in dem über das Orchester der Kimbanguistenkirche im Kongo erzählt wird, einem ambitionierten nichtprofessionellen Ensemble. Bei einem Preview in Bonn lernte unser Kontrabassist Christian Stach den Filmemacher Claus Wischmann und die beiden Produzentinnen Petra Schmitz vom RBB und Jutta Krug aus unserem eigenen Haus, dem WDR, kennen und vor allem den Dirgenten und Gründer des Orchester Sinfonique Kimbanguiste (OSK), Armand Diangienda. Bei der Frage nach Unterstützung hatte Diangienda – neben Instrumentenspenden – eine klare Priorität: Unterricht. In wenigen Tagen, noch bevor er wieder in den Kongo zurückreiste, war der Rahmen für ein umfangreiches Projekt aufgestellt. Dr. Stahl, Leiter der Musikabteilung des WDR, machte sich die Idee zueigen, und schon im Dezember fand der erste Workshop im Kongo statt. Von unserem Orchester waren dabei: Der Geiger Pierre-Alain Chamot, die Cellistin Anne-Sophie Basset, Christian Stach und der Posaunist Fred Deitz. Auch Dr. Stahl begleitete die Musiker für einige Tage, und der Filmer Marcel Kolvenbach drehte Material für eine halbstündige Dokumentation.
Seitdem sind bereits einige Kollegen von uns in Kinshasa gewesen. Die letzten Workshops waren im Februar und März 2012, weitere Workshops schon jetzt wieder in der Planung.
Zusammen mit den Musikern des OSK und mit großer Unterstützung durch die deutsche Botschaft in Kinshasa wurde der Plan entworfen, möglichst zweimal im Jahr mit einer Gruppe Musiker nach Kinshasa zu fliegen. Wir geben Einzelunterricht und leiten Gruppenproben. Ab und zu wird ein Konzert am Ende einer Arbeitsphase stehen, aber der Auftritt hat noch keinen Vorrang. Basisarbeit ist nötig. Der künstlerische Standard des Orchesters ist das gehobenen Amateurniveau. Der Nachwuchs allerdings, um den Diangienda und jetzt auch wir uns besonders kümmern, lässt Größeres hoffen. Der Aufbau einer Musikschule für das OSK ist im Gang. Die Stimmführer des Orchesters unterrichten bereits an der Kunstakademie in Kinshasa.
Die menschlichen Kontakte haben sich vertieft, der Umgang ist persönlicher als noch bei den ersten Malen. Es ist kaum zu überschätzen, welche Unterschiede – kulturelle, musikalische, sprachliche – überwunden werden müssen, welche Strapazen die Musiker des OSK auf sich nehmen, um bei den Workshops dabeizusein (es handelt sich immerhin um Zeit, die von den Bemühungen um den Lebensunterhalt abgeht), welchen Aufwand unsere Musiker die Vorbereitung und Durchführung der Reisen kostet. Und der tropische Aufenthalt in einer der ärmsten Großstädte der Erde kann anstrengend sein.
Nur der Wunsch finanziert allerdings das Projekt noch nicht. Kosten für Flüge, Aufenthalt, Material und zahlreiche Nebenausgaben müssen durch Spenden gedeckt werden. Deshalb ist jede Reise erst dann sicher, wenn sie stattgefunden hat. Unser Ziel ist es, sie überflüssig zu machen: In Kinshasa eine Generation von Musikern auszubilden, die auf solider Grundlage die Ausbildung der nächsten übernehmen kann. Vielleicht werden wir sie eines Tages in Europa hören.